10jähriges Jubiläum 17. Februar 1986
Im Jahre tausendneunhundertundsechsundsiebzig war’s, die Sonne sandte nach des Winters grimmigem Gebaren die ersten Strahlen von des Himmels Bläue, als just um jene Stund, da wir uns itzo hier versammelt haben, gar mut’ge Männer, siebene auf einen Streich, Einlass begehrten ins Drogistenhaus am Markte, wohl wissend, dass dort nichts mehr zu erstehen wäre, da mit der Glocke Schlag halb sieben nicht mehr zu handeln oder feilschen dem Drogistenmännlein war gestattet. Dennoch rieb er die Hände sich gar guter Dinge, war ihm doch alsobald bewusst, dass jene Recken und er selbst allnun die Stimmen laut erschallen lassen würden, verwandelnd sein so tristes Fotoatelier in ein dann erstes Opernhaus am Platze.
Dann klangen sie, die ersten Durakkorde. Oder war’s Moll? Man war sich anfangs dessen nicht genau bewusst, doch drängend sprach des Sängers heis're Kehle: "Nur vorwärts, frisch gewagt. Am Ende klappt’s ja doch!" Und schaurig schöne Töne teilten wiederum der Stille Vorhang, erreichend laut des Nachbarn Ohr, der darob wütend sich im Bette wälzt’. Doch ungeachtet dessen entfährt ein arg verschmitztes Lächeln des Drogisten bärtiger Lippe, da er im Oberstübchen rechnend schon im Planen, dass sich der Umsatz wohl an Emser Salz verdreifach’, wenn rau des Sängers Kehle die Geschmeidigkeit vermisse und darum sich an jenem Emser Salz woll’ laben. Doch fehl schlug der Gedanke, da die Sängerschar von Jahr zu Jahr flugs sich vergrößernd derart weit heranwuchs, dass jeder Einzelne gedämpft’re Töne seiner Stimme konnt’ gebieten und so bereits die Schonung ihrer ihm zugute war.
Viel wechselten die Mannen in der Zeit, da nun zehn Jahre sind enteilet. Es fanden in der Gruppe sich gar welche, die glaubten, da die ihre Stimm’ am schönsten, viel Sololiedchen hurtigst einzuproben, und and’re suchten ihrer Nerven Balsam im Ausschank von Kaffee kurz vor dem Sange, zudem noch meinend, dass der Geige zarter Klang erst durch die Reifen eines Fasses voll zur Geltung komme. Wohl die von Anbeginn dabei, sind wissend, wer gemeint mit diesem Worte.
Obwohl viel Freude in der Sängerschaft, so nahte auch das Leid mit ernstem Schritte und nahm dem Freund den Freund aus froher Rund’ fortfahrend in ein uns noch unbekanntes Land, das dennoch alle wir dereinst betreten. Uns bleibt nur, ihrer treulich zu gedenken im Harren auf ein freudig’ Wiedersehn.
Chor der Gefangenen, war bald der Name; Gefangenenchor erklang’s von Mund zu Mund, derweil der Ursprung jener Sängerschaft die Taufe in Gefilden eines einstigen Kittchens fand, dess' klugem Umbau Mann und Weib es hoch verdanken, dass itzo dort der Gerstensaft und edelstes Gewächs der Moselrebe des Durst'gen Kehle laben, ihn dessentwegen, da ihm leicht die Zunge, zum frischen, munt’ren Liede oft beflügeln. So war’s nicht schwer, die Mannen waren schnell gefunden, der Name jenes Chors gab sich von selbst. Anfangs belächelt von gemeinen Volkes widerstreb'gem Denken, hier tu sich eine Schluckerbande auf, wurd’ jenes baldigst eines Besseren belehrt, dass nicht "Ergo bibamus" sei der Sänger höchster Wortschatz, doch wohl auch nicht nur Nebensach', sind Gerstensaft und Rebenblut und Sang doch schon zeitlebens untrennbare Geschwister.
Bleibt dem Chronisten nur zu sagen: „Haltet fest zusammen, auf dass der gute Name, den der Chor sich hat erworben, allzeit mit Fug und Recht genannt mög’ sein. Bewältigt stets in frohem Eifer jede Klippe, auf dass in hundert, ach, was sag ich, tausend Jahren, wenn wir schon alle, alle nicht mehr sind, noch immer froh ein Lied aus diesem Chor erklinge. Nun walte Gott, dass es also geschehen möge!